Der Kreuzweg von Hévíz – ein neuer spiritueller Ort der Stille

Endlich ist es soweit: das seit langem erwartete Projektelement der Ausschreibung „Kulturbummel in Hévíz”, ein Kreuzweg im Ortsteil Egregy, erwartet seit Mai seine Besucher

Die Anziehungskraft von Hévíz ist seit jeher von Gesundheitsaspekten geprägt: man kann hier körperliche und geistige Energien aufladen, indem man einfach nur im weltweit größten natürlichen Schwefel-Thermalsee badet. Dank traditionellen Kurmethoden wie Schlammpackungen, Gewichtsbad, Physiotherapie und Massagen, die befundorientiert hinzukommen, werden nicht nur die müden Gelenke daran erinnert, was sie einst ohne Schmerzen mal alles konnten, sondern auch gleich die inneren Akkus aufgeladen.

Im kleinen charmanten Kurort Hévíz fällt es einem nicht schwer, bei einem Spaziergang durch den Schutzwald am Thermalsee den üblichen Alltagsstress einfach mal auf einer der Parkbänke liegen zu lassen. Und um die heilkräftigen Wirkungen von Heilbaden und Waldbaden täglich genießen zu können, muss man nicht einmal das Stadtzentrum verlassen.

Für noch mehr Entspannung und Ruhe lohnt es sich jedoch, mit einem leichten Spaziergang – oder auf einem Stück mit der kleinen Stadtbahn – den Weinberg Egregy und einen uralten spirituellen Ort mit einem neuen Kreuzweg mitten in einer herrlichen Naturoase aufzusuchen.

Etwa 1,5 Kilometer von der ikonischen siebentürmigen blauen Kirche entfernt kommt man in der Zrínyi Straße zu der Kreuzung an der grünen Herz Jesu Kirche. Läuft man hier noch etwa 10 Minuten weiter geradeaus, erreicht man auf der Feldstraße hinter dem Ortsschild den Fuß des Hügels mit dem unteren Eingang zum Kreuzweg.

Man kommt hier schnell und einfach zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto hin, und verirren kann man sich auch nicht, da die älteste Kirche der Gegend als bester Orientierungspunkt oben auf dem Hügel dient.  Übrigens steht sie am Ende der Weinstraße, die parallel verläuft.

Der Ortsteil hier heißt Egregy, das bis 1946 eine selbstständige Siedlung war. Der Kreuzweg, wie die meisten solchen nachgebildeten Wallfahrtswege, wurde an einem Hang errichtet und besteht aus 14 Stationen, die den Leidensweg Jesu bis zu seiner Kreuzigung auf dem Kalvarienberg darstellen. Von diesem symbolischen Kreuz wurde eine steinerne Treppe geplant, die bis zur Friedhofskapelle mit dem steinernen Pyramidendach aus dem 13. Jahrhundert führen soll. Die Parallelstraße oberhalb kann man im Moment über den Grundstück nebenan erreichen. Läuft man von hier die Weinstraße hinunter, und geht unten nach links, kommt man wieder in die Zrínyi Straße mit der grünen Kirche und dem römischen Ruinengarten dahinter.

Nur eine halbe Stunde Spaziergang vom Stadtzentrum entfernt bietet der neue Kreuzweg in Egregy eine Stille-Oase der besonderen Art für all diejenigen, die einen spirituellen oder einfach nur einen ungestörten Rückzugsort suchen.

Die alte Kirche, deren genaue Bauzeit nicht bekannt ist, wurde anhand seines Turmes und die Ausbildung der Säulenknöpfe und Zwillingsfenster vermutlich in der Zeit vor der Tatarenfeldzügen 1240 errichtet. Egregy selbst wurde 1221 erstmals schriftlich erwähnt, die Kirche selbst taucht in einer Urkunde aus dem Jahr 1341 auf.

Wo hätte man wohl eine besser geeignete Stelle für den seit langem geplanten Kreuzweg finden können als an dem stillen Hang mit der alten Kirche, die auf römischer Grundschicht errichtet seit acht Jahrhunderten ins Tal hinunterblickt?

Kreuzwege, auf denen religiöse Menschen den Leidensweg Jesu im Geist miterleben möchten, werden traditionell auf kleinen Bergen oder Anhöhen errichtet, vorwiegend am Rande einer Ortschaft. Oft legen sie an einem Friedhof und haben oben am Ende beim Kreuz auch eine Kapelle. Die Stationen sind meistens Säulen mit Tafeln oder Reliefen oder auch kleine gemauerte Rundbogennischen mit Statuen drin, die die Leidensgeschichte erzählen. Krumme Pfade sind auch keine zufälligen ästhetischen Elemente – es galt als allgemeine Erwartung seitens der Kirche und der Gläubigen, dass man beim Beten auch möglichst lange läuft.

Mit ihrem ganz besonderen, ruhigen Milieu locken die Kreuzwege seit geraumer Zeit nicht nur religiöse Besucher an. Und während man am Kreuzweg in Egregy das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter, die warmen Sonnenstrahlen, die erfrischenden Schatten, die unzähligen Grüntöne der Natur und die Früchte der diversen Obstbäume genießt und dabei über diese Geschenke Gottes, die man als selbstverständlich empfindet mal nachdenkt, und sich die Bilder der einzelnen Stationen anschaut, überkommt einen ein merkwürdiges Gefühl, was die eigentliche Funktion solcher Ort ist.

Es ist keine Seltenheit, dass man an vielen Kurorten kleine Kapellen oder Gedenkstellen antrifft, wo Menschen ihren Dank für ihre Genesung aussprechen. In Hévíz lohnt es sich sowieso, diesen sakralen Ort aufzusuchen, hier zu entspannen, neue Energien zu tanken, und bei dieser Gelegenheit mal vielleicht gleich ein Gebet zu Gott, für die Heilung oder aus vielen anderen Gründen zu sagen. Schließlich gibt es ein Gebet, dass auch nicht religiöse Menschen kennen: einfach mal Danke sagen – für was auch immer.

 

Schon gewusst?

  • Nach esoterischen Ansichten existieren auf der Erde ähnliche Linien wie die Meridiane in unserem Körper. Diese sog. Ley-Linien, die eine Art positive Erdenergie ausstrahlen, sind geradlinige Linien, an denen verschiedene prähistorische Kultstätten und Kraftorte liegen. In dem Karpaten-Becken werden auch solche Linien vermutet, und angeblich soll die alte Kirche von Egregy genau an solch einer Linie platziert worden sein.
  • Sogenannte Kalvarienberge und Hügelkapellen mit Kreuzwegstationen wurden in Italien seit dem 15. Jahrhundert errichtet. Die ersten ungarischen Kreuzwege sind aus dem 17. Jahrhundert bekannt.
  • Kirchenruinen mit erhaltenem steinernen Pyramidendach wie in Egregy gibt es in Szigliget und in Somogyvámos.
  • Der Begriff Kalvarienberg, die letzte Station des Prozessionsweges, wurde aus der lateinischen Übersetzung des aramäischen „Golgota“ (Ort der Schädel) entlehnt.
  • Rund um den Plattensee finden sich zahlreiche wunderschöne Kreuzwege, unter anderem in Vöröstó, in Paloznak, in Tihany und in Magyarpolány.

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