Entdecke Keszthely im Herbst – wo an der Stelle des Schlosses bereits ein Schloss stand
Wenn der Plattensee nach den heißen Sommermonaten seine Reize als “ungarische Riviera” verliert, bleibt die Region auch in der stillen, trüben, bunten Jahreszeit dennoch ein attraktives Reiseziel für alle, die mehr von ihrem Lieblingsurlaubsort entdecken wollen.
Und Keszthely, die wohl älteste Siedlung an der Westspitze des Plattensees, ist definitiv ein Ort, der nicht nur Strandurlauber anlockt.
Zu verdanken hat das die Stadt der Familie Festetics, die vor einigen Jahrhunderten in den Besitz der Gegend kamen und Anfang des 18. Jahrhunders ihre keszthelyer Gutsherrschaft erschufen. Diese etablierte sich bald zu einem europaweit bedeutenden Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftzentrum.
Die stadt selbst wurde erstmals 1247 namentlich in einer urkunde erwÄhnt in bezug auf zwei kapellen. die eine stand einst da, wo man heute die springbrunnen vor dem schloss findet.
Mit der anderen Kapelle aus der Urkunde war die Zeit auch nicht gnädig, obwohl diese vermutlich mit den Ruinen der Rotunde im Burggarten identisch sein mag.
und ob der burggarten einst tatsÄchlich eine burg hatte?
In der Tat – Unter der Herrschaft von Ludwig dem Großen war Keszthely in königlichem Besitz und wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an Palatin István Lackfi geschenkt, der den Franziskanerorden ansiedeln ließ. Ihnen ist die gotische Kirche auf dem Hauptplatz zu verdanken, die 1386 bereits stand und einst auch einen anschließenden Kloster mit einem geschlossenen Hof hatte.
Der rote Marmorgrabstein des Palatins, den der nachfolgende König niedermetzeln ließ und sein Hab und Gut beschlagnahmte, ist heute noch in der Kirche zu sehen – unterhalb von Ungarns größten gotischen Fresken, die 1974 entdeckt wurden.
Die Burg von Keszthely, die über 200 Jahre stand, wurde auf Befehl des Königs gegen die osmanischen Heere, die nach 1550 Richtung Kőszeg zogen, aus der Befestigung des Klosters und der Kirche errichtet.
Die Adelsfamilie Pethő, die später lange Zeit die Gutsherren der Stadt waren, ließen den Stadtskern umschanzen, wozu die Steine des einstigen römischen Militärlagers in Fenékpuszta benutzt wurden.
Das lateinische Wort dafür war „castellum”, aus dem sich nicht nur das heutige ungarische „kastély” und das englische „castle” ableiten lassen, sondern höchstwahrscheinlich auch der Name der Stadt „Keszthely”.
Und wohl wahr, Keszt-hely, der Ort mit dem Castellum, war von den Anfängen eine Ortschaft, wo irgendeine Art Kastell stand – ein römisches, dann ein mittelalterliches und heute ein barockes.
Das römische Castrum Valcum, dessen rechteckige Lagerumwehrung einst 44 Wachtürme hatte, stand viele Jahrhunderte lang an der einzigmöglichen Überquerungsstelle des Sumpfgebietes der westlichsten Bucht des Plattensees.
Und das Gebiet, wo die Römer einst ihr Militärlager hatten, ist mehrfach mit der Geschichte der Stadt verflochten. Unter anderem mit der Familie Festetics, deren Erbe fast überall in der Stadt präsent ist.
Die Ländereien der Gutsherrenfamilie Pethő hatte 1739 Kristóf Festetics, Ritter von Goldenem Sporn gekauft, der 1745 an der Stelle des verfallenen Burgschlosses der Pethő’s das ebenerdige Vorgängergebäude des heute prächtigen Schlosses errichten ließ.
Sohn Graf Pál Festetics, Vizepräsident der Ungarischen Hofkammer, stiftete ein Gymnasium mit ursprünglich drei Jahrgängen, in dem 1772 der Unterricht anfing. Das Gymnasium auf dem Hauptplatz, wie wir es kennen, stammt aus dem Jahr 1892, und wurde an der Stelle des Wirtschaftshofes des Prämontraten-Klosters gebaut.
Auch die nächste Generation war nicht untätig – Graf György Festetics, dessen Statue ein beliebter Fotospot auf dem Hauptplatz ist, ließ das Schloss um einen ganzen Flügel, mit Kapelle und Bibliothek erweitern. 1797 gründete er das Georgikon, die allererste Agrarhochschule Europas mit Forst- und Jagdschule sowie Meierhof für das Praktikum.
Er prägte auch das kulturelle Leben, indem er 1817 die Kulturtage Helikon – die es auch heute noch gibt – ins Leben rief unter Beteiligung der Gymnasiasten und Studenten, sowie prominenter Dichter und Schriftsteller seiner Zeit aus der Region.
Das Schlossmuseum Helikon bietet im Rahmen der Programmreihe „Thematische Tage im Herbst” unter anderem auch Zugang in jene Teile des Schlosses, die für das Publikum sonst geschlossen bleiben.
Aber egal, ob man nur die Herbstpracht am Ufer beim Schlendern genießen oder sich am Anblick der Schwäne und Möwen und des einzigen Inselbades am Plattensee erfreuen möchte, durch den alten Stadtpark oder an den alten Villen vorbei ins Stadtzentrum flanieren will, wo man kleine aber interessante Museen entdecken kann – eins ist sicher, die empfohlenen 10.000-Schritte wird man dabei locker und ganz unbemerkt meistern.
Auch Familien mit Kids werden sich hier nicht langweilen, denn im Schloss kann man Keller und Dachgeschoss erkunden, sich in der historischen Modelleisenbahnausstellung wie Gulliver vorkommen, die Vögel im Palmenhaus beobachten, oder im Balaton Museum eine virtuelle Zeitreise in die römische Festung unternehmen.
In der Fußgängerzone wurde wirklich alles Möglichem eine Ausstellung gewidmet –
Kitsch- und Foltergegenstände haben ihr eigenes Minimuseum, aber man kann auch das Parlamentgebäude, nachgebaut aus Tausenden von Schneckenhäusern bestaunen, im Panoptikum historischen Persönlichkeiten begegnen oder Puppen im Volkstracht bewundern.
Unsere Empfehlung für den perfekten City-Trip:
- die thematischen Museen, die zum Schloss gehören und mit einer Kombi-Karte zu besuchen sind;
- sich im Kostüm im Schloss ablichten lassen;
- die kleinen Museen in der Innenstadt entdecken;
- das Balaton Museum erkunden;
- Ungarns größte gotische Fresken in der Kirche auf dem Hauptplatz anschauen,
- die runde Badeinsel entdecken, die 1864 errichtet wurde, und unlängst ihre Pracht von 1893 mit den hölzernen Doppeltürmen wiedererlangte;
- einen Spaziergang auf der Schwarzkieferallee machen, die einst als Kutschen und Reitweg zwischen dem Schlosspark und dem kleinen Palast in Fenékpuszta fungierte.